AD(H)S

Das Thema ADHS kann ein anspruchsvolles Thema sein, es kann herausfordernd und stellenweise kraftraubend sein. Vor allen Dingen benötigt es einen gemeinsamen Ansatz, und Wissen. Nur so entsteht ein Gefühl von Verständnis um an einem Strang zu ziehen. Dieser Text soll dabei helfen, zu verstehen, was ADHS überhaupt ist, und den Umgang mit ADHS erleichtern, um im Alltag besser damit umgehen zu können

Neurologischer Hintergrund

Aufmerksamkeitsleistungen sind im Gehirn nicht klar lokalisierbar, sondern sie ergeben sich aus einem komplexen Zusammenspiel mehrerer Gehirnregionen- und funktionen. Zudem unterliegen sie einer Abstimmung von chemischen Botenstoffen (zum Beispiel Dopamin oder Noradrenalin). Die Aufmerksamkeit ermöglicht es, Informationen, die durch unsere Sinnesorgane geliefert werden, spezifisch auszuwählen und bevorzugt zu verarbeiten. Somit können wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Die Nervenzellen im Gehirn sind stärker aktiv, wenn der Reiz, auf den sie spezialisiert sind, in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt.

Was ist AD(H)S?

AD(H)S = Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

Diese neurologische Besonderheit wird gekennzeichnet durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite, Impulsivität und Hyperaktivität. Aktuell unterscheidet man den vorwiegend unaufmerksamen Typ, den vorwiegend hyperaktiven Typ und den kombinierten Typ

Wodurch entsteht AD(H)S?

AD(H)S kommt durch neurobiologische und neurochemische Veränderungen im Gehirn zustande. Aufgrund dessen ist die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen teilweise verändert. Diese Veränderungen können durch die Genetik oder Komplikationen bei der Schwangerschaft oder Geburt begründet werden. Dennoch ist die eindeutige Ursache bis heute nicht geklärt.

Symptome

Die Ausprägung der Symptomatik ist sehr individuell. Sie wird durch umweltbedingte, psychische und soziale Faktoren beeinflusst. Kinder und Erwachsene zeigen in der Regel unterschiedliche Symptome, obwohl die neurologisch veränderten Voraussetzungen von klein auf bestehen.

Zu den Symptomen zählen zum Beispiel:

Unkonzentriertheit, Unaufmerksamkeit, Hyper- oder Hypoaktivität, Impulsivität, „Hyperfokus“, (motorische) Unruhe, Stimmungsschwankungen, Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen, Probleme am Arbeitsplatz/in der Schule, Motivationsdefizite, „Chaos“, Vergesslichkeit

Zudem können parallel Komorbiditäten, also Begleiterkrankungen vorliegen.
Dazu zählen zum Beispiel…Depressionen, Autismus, Essstörungen, Suchterkrankungen und Teilleistungsstörungen

DIAGNOSTIK

Die AD(H)S-Diagnose wird ausschließlich von Fachärzten (Neurologen, Psychiatern) gestellt. Unterstützt werden sie dabei von einem interdisziplinären Team aus therapeutischem Fachpersonal. Die Diagnostik setzt sich in der Regel aus einer Anamnese, der Befragung von Bezugspersonen, einer körperlichen Untersuchung und speziellen Testungen zusammen.

Die Symptome können anderen Krankheitsbildern, wie zum Beispiel Depressionen, Autismus, Angststörungen oder PTBS, sehr ähneln. Eine differenzialdiagnostische Abgrenzung ist hier von hoher Bedeutung.

Die Ergotherapie kann ein wichtiger Baustein im Diagnoseprozess sein, indem sie auf Wunsch eine Einschätzung der Symptomatik bieten kann und beratend, sowie unterstützend zur Seite steht. (Wichtig: Die Diagnose selbst stellt ausschließlich der/die Arzt/Ärztin)

Mythen

„AD(H)S verwächst sich“
AD(H)S kann sich nicht „verwachsen“, sondern besteht ab dem Kindesalter und bleibt lebenslänglich bestehen. Die Symptome können sich jedoch in den unterschiedlichen Altersstufen verändern. Meistens äußert sich die neurologische Besonderheit im Erwachsenenalter anders als bei Kindern. Dies kann damit zusammenhängen, dass wir mit fortschreitender Lebenserfahrung Strategien entwickeln, um mit (alltäglichen) Herausforderungen zurecht zu kommen und „vermeintliche Defizite“ kompensieren. Des Weiteren verändern sich unsere Rollen und dementsprechend die Anforderungen, die an uns gestellt werden.

„AD(H)S ist Erziehungssache“
Eine „falsche“ Erziehung ist nie ursächlich für die Entstehung von AD(H)S. Soziale und pädagogische Faktoren haben dennoch einen Einfluss auf die Ausprägung und den Verlauf der Symptome und können sich somit unterstützend und/oder defizitär auswirken.

„AD(H)S ist eine Modediagnose“
Die Diagnoserate hat in den vergangenen Jahren laut diverser Studien zugenommen. Dies kann durch mehrere Faktoren begründet werden…

Erweiterung der Diagnosekriterien der ICD11 (International Classification of Diseases, 11. Ausgabe) und der DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Ausgabe)

Abbau von Stigmatisierung
Allgemein verbesserte Aufklärung

Das Kind, das früher als „Zappelphillip“ bezeichnet wurde, ist heutzutage womöglich der „AD(H)Sler“. Inwiefern sich dieser Wandel tatsächlich bestätigt, ist vom Individualfall abhängig. Selbstverständlich unterstützen wir eine adäquate Aufklärung und den Abbau von Stigmatisierung, möchten aber dennoch die Wichtigkeit der Diagnostik durch Fachpersonal hervorheben.

Wie läuft meine Behandlung im Therapiewerk ab?

Für die Behandlung ist die Ergotherapieabteilung des Therapiewerks zuständig. Sie (oder ihr Angehöriger) benötigt eine ergotherapeutische Heilmittelverordnung („Rezept“) für eine „psychisch-funktionelle“ oder eine „sensomotorisch-perzeptive“ Behandlung. Meistens besteht ein Rezept aus zehn Einheiten. Diese zehn Einheiten sehen wir als groben Richtwert, um herauszufinden „wohin die Reise führt“. In der Regel sind mehrere Rezepte notwendig, um einen langfristigen Therapieerfolg zu ermöglichen.

Demzufolge steht an erster Stelle der Beziehungsaufbau, sowie der Aufbau einer „Compliance“ (Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen). Diese beiden Punkte sind die Grundlage jeder ergotherapeutischen Behandlung und Voraussetzung für den Therapieerfolg. Der Beziehungsaufbau, sowie die Compliance bei der Behandlung von AD(H)S sind den weiteren Zielen übergeordnet. Dennoch laufen die Prozesse zum Großteil parallel ab. In der ersten Einheit erfolgt die Befundaufnahme, die aus einer ausführlichen Anamnese und der gemeinsamen Entwicklung von Zielen besteht. Selbstverständlich besteht jederzeit ausreichend Raum für Aufklärung und Abbau von möglichen Sorgen und Bedenken. Die Zielformulierung ist sehr individuell. Oftmals können mehr Bereiche in die Ergotherapie integriert werden, als man auf den ersten Blick denkt. Unsere Vorgehensweise ist dabei folgende:

Analyse-Aufklärung-Behandlung-Integration

Das Ziel der Ergotherapie ist die Verbesserung und/oder Erhaltung von Lebensqualität, die unseren Alltag maßgeblich beeinflusst. Wir sehen unsere Aufgabe in der „Hilfe zur Selbsthilfe“ und möchten Sie ermutigen Ihre Entwicklung aktiv in die Hand zu nehmen und sich die notwendige Unterstützung zu suchen.

Nach der Analyse spezifischer Problemfelder folgt (ggf. im Elterngespräch) ein Austausch darüber, und welche Maßnahmen im konkreten Fall sinnvoll sind. Im Rahmen der Therapie werden diese Maßnahmen nach und nach eingebaut um langfristig Strategien im Alltag integrieren zu können, die Ihnen oder Ihrem Kind helfen sollen.

Fazit

AD(H)S bedeutet nicht, dass man „verkehrt ist“. Mittlerweile entwickelt sich sogar ein Paradigmenwechsel in der Gesellschaft; weg von der defizitorientierten und hin zu der ressourcenorientierten Sichtweise. Daraus entstand der Begriff „Neurodiversität“, welcher die Vielfalt menschlicher Gehirnentwicklung hervorhebt. Neurodivers wäre somit alles, was von der „Norm“ abweicht. Darunter zählt unter anderem auch AD(H)S.

Neben den nicht zu unterschätzenden Herausforderungen im Alltag, sind Betroffene oftmals sehr kreativ, haben einen hohen Gerechtigkeitssinn oder verstreuen gerne ihre gute Laune. Auch der berüchtigte „Hyperfokus“ kann manchmal vorteilhaft sein.

Unsere Ergotherapie hilft beim Umgang mit Herausforderungen, fördert die Konzentrationsfähigkeit und stärkt Ressourcen, sodass einem glücklichen und erfüllten Lebensstil nichts im Wege steht.

Quellenangaben:
gemeinsam-adhs-begegnen
adhs.info
flexikon.doccheck
spektrum.de/Aufmerksamkeit
Barmer
add.org
gelbe Liste

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